Das Meer der Liebe (und das kleine Ich)
Wenn ein Mensch in das Meer der Liebe eintaucht, wird er von
der Liebe erfüllt. Er liebt, weil er nicht anders kann. Er wird
zu einem Teil der kosmischen Energie, die ihn durchdringt. Dies
ist das Ende der Reise für denjenigen, der den Weg durch die
dualen Welten gegangen ist und sie hinter sich gelassen hat. Es
ist aber auch der Anfang für denjenigen, der sich erst aus dem
Meer der Liebe gelöst hat, um Erfahrungen zu machen und eine
Eigenidentität zu entwickeln.
Natürlich ist es möglich das Meer der Liebe auch als Mensch zu
erfahren, weil sich das Bewußtsein auf das Meer der Liebe
einstellen kann.
Auf Grund meiner persönlichen Erfahrung kann ich nicht sagen,
ob ein gänzliches Auflösen der Erinnerung und eine komplette
Auflösung der Identität (der Eigenempfindung und der Seele)
irgendwann im Meer der Liebe stattfindet (absolutes
Verschmelzen mit dem Meer der Liebe, Nirvana?), weil dies als
Mensch unmöglich ist, dazu bedarf es schon der Auflösung aller
Körper,des physischen, astralen (psychisch und emotionale
Ebene) des mentalen (Verstandesebene) und des kausalen Körpers.
Papus schreibt einen interessanten Gedanken in „die Kabbala“,
der verdeutlicht, das die Sonderexistenz (Eigenidentität)
hinsichtlich einer größeren Wonne durch Hingabe geopfert oder
aufgegeben wird.
Sedir: Das Leben der Kreatur ist
dann am vollkommensten, wenn in dem Augenblick, wo ihre
Sonderexistenz anfängt, auch ihre Vereinigung mit Gott erfolgt.
Um das zu erreichen, muss sie freiwillig auf ihre
Sonderexistenz verzichten; denn Seligkeit ist für sie
Verschmelzung der doppelten Wonne, der des Seins und der des
Nichtseins.
(Papus, 1865-1916, aus >die
Kabbala<)
Das kleine Ich
Das Bewußtsein kann sich je nach Zustand mit allem Möglichen
identifizieren.
Wenn eine Seele (Bewußtseinsträger) im Körper lebt,
identifiziert sie sich gut und gern mit den Sinnen und auch dem
Körper, aber letztlich doch mit der Illusion des Ichs, das
keinen all zu festen Fixpunkt hat. Das Ich ist ständig in
Bewegung, auf der Suche...nach Identität. Leicht
nachzuvollziehen ist das, wenn man im Fotoalbum schmökert und
die alten Bilder der Kindheit betrachtet. Ungeachtet einiger
Erinnerungen und gespeicherten Empfindungen ist doch das
kindliche Ich verwandelt worden. Es steckt nur noch in
Fragmenten in einem anderen größeren Ich, das man als Identität
angenommen hat. Die östliche Philosophie nimmt das Ich nicht so
wichtig, weil sie die Illusion des Ichs grundsätzlich einmal
betont. Im Westen hingegen ist das Ich sehr wichtig, es geht um
Persönlichkeit und starke Persönlichkeiten genießen Ansehen.
Man lehrt auch das Selbstbewußtsein zu stärken. Hinter dem
psychologisch richtigen Versuch einem Menschen mit schwachem
Selbstbeußtsein mehr Selbstvertrauen beizubringen, steckt der
Versuch einem Menschen Selbstliebe zu lehren. Wenn ein Mensch,
egal wie klein und unscheinbar er ist, sich einfach lieben
könnte, wie er ist, würde es nicht die große „Egomanie“ im
Westen geben, die durch Fehlentwicklung der
Persönlichkeitsbildung entsteht. Oft wird durch Kompensation
durch Arbeitseifer, Machtentwicklung, Habgier u.s.w. versucht
das zu überdecken, was man an sich nicht mag. Zum Beispiel
versucht man mit Macht Ansehen zu erlangen und hinter dem
Wunsch nach Ansehen steckt der Wunsch nach Liebe (geliebt
werden zu wollen).
Übergroße Ichstrukturen sind die Folge, die wiederum
verhindern, sich selbst und andere zu lieben.
Mittelmäßigkeit
Das Meer der Liebe kennt keinen Vorzug, weil es alles ist.
Mittelmaß im Leben eines Menschen ist eine gute Voraussetzung,
die Liebe im Leben zu gewinnen. Sie durch das eigene
Energiefeld im Körper fließen zu lassen ohne zu stark an einem
übergroßen Ich zu haften.
Buddha‘s Lehre ist im Grunde genommen eine Lehre der
Mittelmäßigkeit. Wäre Jesus ein Übermensch gewesen, hätte er
die Menschlichkeit nicht erfahren. Wäre er dann zu "seiner"
Liebe fähig gewesen?
„Wie zwei goldene, in engster
Freundschaft auf ein und demselben Baum thronende Vögel wohnen
das Ego und das Selbst in demselben Körper. Das Erstere isst
die süßen und sauren Früchte vom Baum des Lebens, während das
Letztere innerlich losgelöst zusieht.“
– Mundaka-Upanishad,
III.1.1
Mittelmäßigkeit ist das Nichtanhaften an einem übergroßen ich,aber nicht das Zurückweisen der eigenen Existenz, sondern ein Losgelöstsein von Extremen. Man gibt nicht dem einen noch dem anderen einen Vorzug. Im Meer der Liebe liebt man den Dicken wie den Dünnen, man freut sich an der Liebe und sieht das verbindende - die Liebe, und man freut sich auch an der Vielfalt in der Einheit. Sobald man eine Sache bevorzugt, setzt man eine andere herab und die Liebe schrumpft zu einem persönlichen Verlangen. Das gilt genauso gut für die Nächsten- wie die Slebstliebe. Aufopferung ist Selbstverleugnung, zuviel Selbstliebe widerrum fürht zu Egoismus. Die Kunst ist es, balance zu halten. :-)
Wahre Liebe ist deshalb ein
Geisteszustand der eintritt, wenn die Zeit, wenn "Beobachter"
und "Beobachtetes" nicht existieren.
(J. Krishnamurti, 20. Jh.)
Das Meer der Liebe ist der Grundstoff des Lebens, es ist die Essenz, das Elixier, der Heilige Gral, das Verbindende, das Allganze aus dem die Schöpfung und damit die Illusion der Getrenntheit, die Dualität mit all seinen Fassetten, wie Hell und Dunkel, schön und hässlich, weich und hart u.s.w. hervorgegangen ist.
„Eines zu sein mit Allem, das ist
Leben der Gottheit, das ist der Himmel des
Menschen.“
(Friedrich Hölderlin - Lyriker,
1770-1843)
Die Schöpfung
Innerhalb der Schöpfung existiert die Einheit natürlich weiter,
nur erscheint uns das geschaffene Universum mit seinen
Strukturen als real und die Seele verliert sich im Spiel der
„Maja“, der Illusionen. Man lernt innerhalb von Raum und Zeit
zwischen hoch und tief, warm und kalt und allen möglichen
Dingen und Gefühlen zu unterscheiden. Auf Strukturen folgen
Ordnungen und Regeln. Dadurch gibt es Achtung und auch
Mißachtung von Regeln oder Geboten und somit sind Sünde und
Reinheit geboren worden. Aber all das geschieht innerhalb der
Schöpfung!
Egal welcher Gott, egal welcher Lehrmeister oder gechannelte
Entität oder Machtmensch lehrt, man soll dieses oder jenes tun
oder lassen, geschieht dies innerhalb der Schöpfung der
Dualität! Das muss man sich klar machen, dann versteht man
auch, warum die Religionen und ihre Lehren so verschieden sind.
Sie alle entstanden innerhalb eines Kontextes der
Menschheitsgeschichte und an einem bestimmten Ort, der prägend
war für die Lehre und Regeln, die leider auf Grund aufkommender
Trägheit nach einer gewissen Etablierung durch den Hang zu
Traditionen für die menschliche Weiterentwicklung hinderlich
sein können.
Zum Glück ist die Menschheit auf dem Wege zusammen zu wachsen.
Auch wenn sie global nicht den besten Weg geht, so kann doch
Fortschritt auf der einen Seite Mißstände auf der anderen Seite
beseitigen. In Afrika beispielsweise wird die Beschneidung der
Frau, die eine lange Tradition hat, zunehmend missbilligend
betrachtet und das verdankt man der Einwirkung von „Außen“,
also Nichtafrikanern, die eine andere humanere
Gesellschaftsform entwickelt haben. Ebenso ist Dialog in
Religion und Politik wichtig, um von einander zu lernen und die
Gemeinsamkeiten zu entdecken, als den Anspruch des absoluten
Wissens zu erheben, das nur abgrenzt und letztlich doch zu
nichts Gutem führt.
Die Einheit des
Lebens
Die Wissenden haben die Einheit betont, sie lehrten was es hinter der Schöpfung zu entdecken gibt.
Das Selbst ist die
eigenschaftslose reine Wirklichkeit, in deren Licht Körper und
Ego aufleuchten. Wenn alle Gedanken zur Ruhe gekommen sind,
bleibt das reine Bewusstsein zurück.
(Ramana Maharshi, 20. Jh.)
Das Meer der Liebe ist und und bleibt allumfassend, es ist
vorhanden und wird alles überdauern. Schön für die Menschheit
ist die Tatsache, das der Urstoff des Lebens etwas ist, das
angenehm ist. Ansonsten könnte ein Mensch sich gar nicht fallen
lassen, loslassen, sich hingeben, sich entspannen ohne in etwas
unangenehmes und angstvolles zu sinken. Wenn das Gute, die
Liebe etwas wäre, was man sich erarbeiten müßte, dann hätten
wir alle Angst uns zu entspannen, weil ja das „Schlechte“ auf
uns warten würde und wir müßten ständig auf der Hut sein und
nach dem Guten streben. Aber das Gegenteil ist wahr und darum
kann man sich fallen lassen , hingeben und den Urgrund des
Lebens als angenehm, liebevoll und wohlig empfinden. Somit
könnte die Allgemeinheit das Meer der Liebe als wahrhaft
anerkennen.
Das was ein Mensch daran hindert, es nicht wahrzunehmen, ist
sein Unglaube, seine Abneigung, sein Machtstreben, seine
Hemmung zu Vertrauen, loszulassen, sich hinzugeben, aus Angst
etwas Schlechtes wartet auf ihn, sei es eine unangenehme
Erinnerung oder sonst was.
Auch das Maß der Wahrnehmung der Liebe, hängt von den Hemmungen
des Einzelnen ab, der nur einen Teil des umfassendes Meeres
spüren kann, wenn er es nicht zulassen will bzw. kann.
Ebenso ist der Tropfen (Seele), der das Meer der Liebe erst
verlassen hat auf dem Weg sich auf naive Weise in die
Erfahrungen des Lebens zu stürzen, wohin gegen die Seele, die
länger im Reich der Dualität lebt, bedächtigere Schritte wählt
und sich selbst und der Menschheit weisere Wege lehrt, um
wieder in das Reich des reinen Lebens und Geistes zu gelangen.
Eine tiefe weise Lehre liefert Bayezid Bistami, die da heißt:
Gott kann nie durch Suchen
gefunden werden; und doch finden ihn nur Suchende.
(Bayezid Bistami, 803-875)
„Gott“ ist der poetische Begriff für den Urstoff des Lebens, den ich hier „das Meer der Liebe“ oder einfach „das Leben“ nenne, weil Gott zu sehr mit all zu vielen falschen Vorstellungen behaftet ist, die leider auch Abneigung, Aberglaube und Furcht auslösen.
Bistami sagt, daß nur der Suchende Gott finden kann, weil nur der Suchende sich aufmacht, das Leben zu ergründen, doch muß der Suchende seine Suche aufgeben, um Gott zu finden, weil das Leben keine Suche ist. Der Suchende befindet sich innerhalb der Dualität, der Illusion der Getrenntheit, denn Suche setzt voraus, daß man etwas finden möchte, was man nicht hat. Aber das Leben ist alles in Allem, das Leben oder Gott ist, weil es ist, „Ich bin, weil ich bin“.